Um euch ist Gott in seiner
ganzen Hehre,
Ihr seht ihn nicht und
schnitzt euch selber einen;
Er unterweist euch, wo ihr
mögt erscheinen,
Ihr hört ihn nicht und
stümpert selbst die Lehre.
In Wald und Garten baut er
sich Altäre,
Ihr seht sie nicht, baut
Kirchen ihm von Steinen;
Er lädt zur Andacht euch, zur
wahren, reinen,
Ihr merkt es nicht und
schwatzet blind ins Leere.
Rings Gott-Natur aus lauter
Licht gemacht,
Und dennoch sehn sie nichts,
die Ewigblinden,
Sie streichen Hölzchen an, als
wär’ es nacht.
Ich glaub’, wenn mitten auf
der Sonn’ sie stünden,
Sie wähnten sich zutiefst im
dunklen Schacht:
Geweihte Kerzen würden an sie
zünden!
Ich war beglückt, als ich das
Lied erdachte,
Das mir bei euch den ersten
Preis errungen;
Ihr wart beglückt, als ich es
euch gesungen,
das ich geschöpft aus tiefstem
Herzensschachte.
Ich freute mich, als Stern und
Band mir lachte,
Daß mir der Sang und euch die
wahl gelungen;
Ihr freuet euch, als um den
Hals geschlungen
Ihr mir das Band, das
Dichtkunst ein mir brachte.
Ein Orden, so in Freude nur
erbeutet,
Der mir nur Glück und euch nur
Lust bereitet,
Doch niemand Schmerz, ist
werter mir und lieber,
Als all der Tand, von Sclaven
und Halunken
Zu andrer Menschen Qual im
Streberfieber
Erkrochen und erwedelt und
erstunken.
Ausleben sich, heiß’ ich die
erste letzte
Und höchste von des höhern
Menschen Pflichten;
Kastein sich, auf sein bestes
Selbst verzichten,
Den ärgsten Mord, der je sein
Eisen wetzte.
Doch wenn für höhrer Mensch
Tyrann man setzte,
Bedrücker, Streber, stimmt’
ich bei mit nichten;
Ausleben lehr’ ich wohl, im
Leben, Dichten,
Doch weit entfernt, daß ich
zum Bösen hetzte.
Der keinem Schmerz, doch
vielen Lust kann bringen,
Dem Forscher, Künstler gönnet,
das er aushebt
des Innern Schatz, sei’s
Denken, Dichten, Singen!
Doch wehrt dem Streber ja, daß
er sich ausstrebt,
Dem’s nur auf andrer Kosten
kann gelingen:
Denn weh den Guten, wenn ein
Schuft sich auslebt!
Wen Gott berufen hat zu heil’ger
Sendung,
Dem gibt er auch den Ehrgeiz
zum Vollbringen,
Der wird und muß aus ganzer
Seele ringen
Nach seiner Gaben richtiger
Verwendung.
Beschränktheit nur und
kleinliche Verblendung
Versuchen ihn in falsches Joch
zu zwingen;
Was andre hemmt, bedeutet ihm
Gelingen,
Und andrer Tätigkeit ist ihm
Verschwendung.
Er kann und darf nicht jeden
Ehrgeiz stillen,
Sobald’s vom Hauptziel droht
ihn abzubringen,
Muß selbst die Ehr’ verschmähn
des Ruhmes willen.
Er darf sich nicht vergeuden
am Geringen,
Des höchstes Streben ist vor
allen Dingen:
Die vorbestimmte Sendung zu
erfüllen!
Ich sag’, dem Genius ist es
nicht verwehrt,
Sich zu entziehn den Pflichten
und Gesetzen,
Die Andern Wohltat, ihm ein
Meer von Netzen,
Grund der Gesellschaft, ihm
ein Richterschwert.
Muß doch Gesellschaft wieder
umgekehrt
Auch sein Gesetz ihm
tausendfach verletzen,
Das, ihm zum Heil, ihr wehrt,
sich durchzusetzen,
Bedürfnis ihm, ihr sonder Nutz
und Wert.
So ist die Schuld zu mindest
gegenseitig.
Doch trifft auch dann der größ’re
Teil des Grams
Den Genius stets – das macht
mir keiner streitig!
Denn was Jahrhunderte von ihm,
dem Einen,
Empfangen, steht doch
wahrlich, will ich meinen,
Für diesen Gran verletzten
Formenkrams.
Ein sichrer Kompaß sind uns
Pflicht und Ehre,
Ohn’ sie muß jede Lebensbarke
stranden,
Sie halten einzig Mensch und
Mensch in Banden,
Der ärger denn das ärgste Tier
sonst wäre.
Doch wehe, wehe, wenn sie
falsch verstanden,
Wenn Ehre Blödsinn wird und
Pflicht Schimäre,
Wenn Dummheit, Satzung,
Irrsinn Geistesleere
Verletzung beider sieht, wo
nichts vorhanden!
Wenn gar das Pack der
Vielzuvielen, Kleinen,
Die Ehre der Pygmän, die
Pflicht der Zwerge
Zur Pflicht und Ehr erhebt im
allgemeinen:
Dann, Götter, schützt Vernunft
und Menschenrechte!
Dann wird die satzung alles
Großen Scherge
Und Ehr’ und Pflicht des
Glückes Henkersknechte.
Was nenn’ ich Pflicht?
Erfüllung unsrer Sendung,
Nun ist Verschied’ner Sendung
stets verschieden;
Drum sind es unsre Pflichten
auch hienieden
Und mannigfalt der Menschen
Nutzverwendung.
Verlangt vom Pack nicht Werke
der Vollendung,
Dem nur die Kraft zum
Pflugziehn ward beschieden;
Doch laßt den Künstler mit dem
Pflug in Frieden,
Der mehr euch dient mit seines
Geist Verschwendung.
Der Großen Einer, die die
Menschheit lenken,
Weiht ihren Diensten sich sein
ganzes Leben,
Er braucht sich nicht im
kleinen zu verschenken.
Was andern höchste Pflicht,
ist ihm’s mit nichten,
Wenn’s Ketten anlegt seinem
höhern Streben:
Denn seine Pflicht steht über
seinen „Pflichten“.
Den König, seine Neigung zu
erwerben,
Pries einst ein Schmeichler
aus der Höflingsschar;
Der lud zum Mahl ihn, reich
und wunderbar,
Bewirtend ihn gleich seines
Thrones Erben.
Mit eins begann vor Schreck
sich zu entfärben
Damokles’ Wang’, denn wes ward
er gewahr?
Ein scharfes Schwert an einem
Pferdehaar
Ob seinem Haupte dräut auf ihn
Verderben.
Und wißt ihr, wen ich beiden
gleich befunden?
Dem Neider alle Krüppel,
Lahmen, Kranken,
Die ungeschickt zum Kampfe,
weil zum Sieg;
Und Dionys uns Starken und
Gesunden,
Die stets erzittern müssen
beim Gedanken
An aller Übel schrecklichstes –
den Krieg!
Der Krieg, so hör’ ich oft,
ist recht und gut,
Bringt Leben, Wechsel in der
Menschen Treiben,
Die Welt horcht auf, wenn
Völker sich zerreiben,
Man lauscht gespannt dem
Walten blinder Wut.
Verspritzen auch Zehntausende
ihr Blut,
Erhebend ist’s für die, die übrig
bleiben,
Der Welt ein Schauspiel,
Dichtern Stoff zum Schreiben,
Einförmig rollte sonst der
Zeiten Flut.
Wie mir das vorkommt? Fast so,
als, man ließe
Im Reich zu Zeiten ein paar
Züg’ entgleisen
Und kreuzigte alljährlich
tausend Christen,
Nur, daß das Leben nicht
eintönig fließe,
Nur um dem Volk ein Schauspiel
zu erweisen
Und Stoff zu liefern für den
Reichschronisten.
Ich kann den Zug der Zeit
nicht ganz verklagen,
Das Streben jedes Volks nach
Kraft und Einheit,
Steht gleich mein letztes Ziel
in seiner Reinheit
Hoch über Völker-, über
Glaubensfragen.
In unsern leeren, seichten,
armen Tagen
Der farb- und inhaltslosen
Allgemeinheit,
Scheint’s doppelt Rettung mir
aus dieser Kleinheit,
Zu steigern sich an Volkes
stolzem Ragen.
Ist Volkserstarkung doch im
Völkerstreben,
Was Eigenart, Charakter,
Selbstgestaltung
Im Sein des Einzlen: stärkstes
Ja zum Leben.
Nur wer mit Mitteln, ganz nur
ihm zu eigen,
Ob Volk, ob Einzler, ringt
nach Seinsentfaltung,
Wird diesem Schlamm der
Gleichheit je entsteigen.
Ich lieb’ des deutschen Volkes
Art und Wesen,
Sein ganzes Fühlen, Denken,
Dichten, Trachten,
Ich wünsch’ ihm Sieg in Volks-
und Geistesschlachten,
Aus Stürm’ und Wettern wünsch’
ich ihm Genesen.
Doch eh’ ich, wie die Hexe
ihren Besen,
Sein Lob’ nur hetzt’, die
andern zu verachten,
Eh’ ich in undeutsch blindem
Geistumnachten
In fremder Größe Buch verlernt’
zu lesen;
Eh’ ich, zu schmeicheln ihm,
mich ließe zwingen,
Von eignen Wesens Höhn
hinabzusteigen,
Von meinem Selbst herunter
ließe dingen:
Eh’r will ich keinem Volke
sein zu eigen,
Und lieber ungehört in Wüsten
singen,
Als knechtisch je dies freie
Haupt zu neigen.
Am Wirtshaustisch bei starken
Weines Quelle
Entspinnt sich Zank ob einer
Nichtigkeit;
Den Guten schilt der Schlechte
was im Streit,
Der andern Richtspruch zwingt
sie zum Duelle.
Sie fechten, weil man anders
sie bespeit,
Da bleibt der gute leblos auf
der Stelle;
Doch durch die Frommen geht’s
mit Windesschnelle:
Wer glaubt an Gott noch und
Gerechtigkeit?
O Menschen, wahnbetörte,
blinde Meute!
was klagt ihr Gott ob eig’nes
Irrsinns an?
Hieß er euch, also schlichten
Knabenstreite?
Gott ist gerecht und war’s
nicht minder heute,
Da er gerächt barbar’scher
Satzung Wahn:
Nur eurer Dummheit fiel der
Mann zur Beute!
„Mit einem Schurken kreuz’ ich
nicht den Degen,
Mein Gegner sei gleich mir ein
Ehrenmann.“
Gut; doch erklär’, sobald er’s
ist, wie kann
Zu tötlich grimmen Haß er dich
erregen?
Allein er kann’s, zugeb’ ich’s
meinetwegen;
Doch wird er nicht sein
Unrecht einsehn dann?
Und sieht er’s ein, wirst du,
selbst Ehrenmann,
Fleht er Vergebung, länger
Zorn noch hegen?
Zudem: du fichtst aus Haß, zur
Sühn’, aus Rache;
Warum sie just dem Schurken
dann erlassen,
Des Haß natürlich, reine
Menschensache?
Warum dem Ehrenmann sie eh’r
erweisen?
Gilt er es dir, wie kannst du
dann ihn hassen?
Und haßt du nicht: wozu dann Blut
und Eisen?
Wohl hass’ ich dieses „Gleiches
Recht für alle,“
Das Groß und Klein auf
gleichen Leisten windet;
Die Stumpfheit, die, für
Genius’ Art erblindet,
Den Dichter zwingt zum
Wärterdienst im Stalle.
Wohl heiß’ ich#s Dichters
Recht in jedem Falle,
Voll auszuwickeln, was er
denkt, empfindet;
Zerbrechen darf er, was ihn
hemmt und bindet,
Vermag er’s nicht, er tauch’
den Stift in Galle!
Nur jenen, riet’ ich, binde
man die Hände,
Die groß zum Schmerz und
schaden dem Geschlechte,
Tyrannen, denen Menschen
Gegenstände.
Sonst schmälern wir noch mehr
die Menschenrechte,
Und statt der größern
Freiheit, ist das Ende:
Ein Übermensch und
hunderttausend Knechte,